Das Schweizer Gesundheitswesen lebt von Fachkräften aus dem EU-Raum

Oliver - Team s+v
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22 March 2020 Lesezeit: 3 Minuten
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Stetoskop mit Schweizerkreuz
Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise zeigt exemplarisch, welch wichtige Rolle Fachkräfte aus dem EU-Raum im Schweizer Gesundheitswesen spielen. Ohne sie käme es zu massiven Engpässen.

Seit Anfang dieser Woche befinden wir uns in einer ausserordentlichen Lage. Weil sich das Coronavirus immer rascher ausbreitet, ergriff der Bundesrat einschneidende, aber auch notwendige Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Diese zielen unter anderem darauf ab, Kapazitäten im Schweizer Gesundheitswesen weiterhin sicherzustellen. Pflegefachkräfte und Ärzte kümmern sich tagtäglich um das Wohlbefinden unserer Gesellschaft. In der aktuellen Ausnahmesituation wird ihr unermüdlicher Einsatz für das Funktionieren unserer Gesundheitseinrichtungen für alle sichtbarer denn je. Und es zeigt sich auch: Gut qualifizierte Fachkräfte aus dem benachbarten EU-Raum sind aus dem Schweizer Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken.

Akuter Mangel an Pflegefachkräften

Insbesondere in der Pflege leisten europäische Arbeitskräfte einen wichtigen Beitrag. Mittlerweile stammt jede zweite Fachkraft in unseren Spitälern, bei der Spitex und in den Pflegeheimen aus dem Ausland. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Personen aus dem benachbarten EU-Raum. Die Schweiz benötigt pro Jahr mehr als 6‘000 neue Pflegefachkräfte. Zurzeit werden jedoch weniger als die Hälfte davon in der Schweiz ausgebildet. Dies liegt daran, dass der Pflegeberuf hierzulande für viele zu wenig attraktiv ist: Die Arbeitsbedingungen sind – u.a. durch den Schichtbetrieb – schwierig, die Anforderungen an die Pflegenden hoch und die körperliche Belastung schwer. Gemäss dem 71. Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums werden bis zum Jahr 2030 in der Schweiz 65‘000 zusätzliche Pflegefachkräfte benötigt.

Ein Drittel der Ärzte stammt aus dem Ausland

Bei den Ärztinnen und Ärzten ist die Lage etwas weniger gravierend. Aber auch hier herrscht ein grundsätzlicher Mangel. Und dies, obwohl die Schweiz die Zahl der Studienplätze an den medizinischen Fakultäten in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Wir beschaffen uns nach wie vor viel medizinisches Know-how aus dem Ausland: 2018 hat die Schweiz laut dem Bundesamt für Gesundheit dreimal so viele ausländische als eidgenössische Diplome in Humanmedizin anerkannt. Gemäss dem Berufsverband der Schweizer Ärzte FMH waren 2018 in der Schweiz 37‘525 Ärzte berufstätig. 13‘266 davon stammten aus dem Ausland – ein Anteil von 35,4 Prozent. Mit Abstand am meisten ausländische Fachkräfte stammten aus Deutschland (53,8 Prozent), gefolgt von Italien (8,8 Prozent), Frankreich (6,7 Prozent) und Österreich (6,1 Prozent). Folglich kamen über drei Viertel dieser Fachkräfte aus dem EU-Raum in die Schweiz.
 

Schweiz profitiert stark von Personenfreizügigkeit

Es steht ausser Frage, dass die Schweiz mehr Arzt- und Pflegepersonal selbst ausbilden muss. Angesichts der alternden Bevölkerung wird der Personalbedarf in den nächsten Jahren rasant zunehmen. Dennoch: In der Schweiz steigt beinahe jeder dritte Arzt aus dem Beruf aus. Bei den Pflegefachkräften ist es sogar fast die Hälfte. Wir sind also weiterhin dringend auf medizinische Fachkräfte aus dem EU-Raum und vor allem aus unseren Nachbarstaaten angewiesen. Ohne deutsche Ärzte und französisches Pflegepersonal würde das Schweizer Gesundheitswesen nicht so reibungslos funktionieren. Zudem darf man nicht vergessen, dass im Gesundheitsbereich ein europäischer Wettbewerb um Fachkräfte stattfindet. Der deutsche Gesundheitsminister, Jens Spahn, hätte die deutschen Ärzte aus der Schweiz liebend gern zurück. Er hält den freien Personenverkehr in diesem Bereich für problematisch. Anhand dieses Beispiels zeigt sich einmal mehr eindeutig, wie stark die Schweiz von der Personenfreizügigkeit profitiert.

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