Bevölkerung ist bereit zu Kompromissen in der Europapolitik

Oliver - Team s+v
Oliver - Team s+v
27 March 2023 Lesezeit: 2 Minuten
Bild
Hände schütteln
Die neuste repräsentative Umfrage zur Europapolitik zeigt, dass eine wachsende Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer den bilateralen Weg ausbauen will und bereit ist, dafür einen Preis zu zahlen. Die Umfrageergebnisse widerlegen die immer wieder geäusserte Behauptung rechtskonservativer und gewerkschaftlicher Kreise, dass jede Annäherung an die EU beim Volk chancenlos sei.

Seit einem Jahrzehnt erhebt das Umfrageinstitut gfs.bern im Auftrag des Branchenverbands Interpharma, wie sich die Sicht der Stimmbevölkerung auf die Beziehungen zur EU entwickelt. Die neusten, soeben publizierten Zahlen zeigen: Die Schweizerinnen und Schweizer sind vom bilateralen Weg überzeugt, sie wollen ihn fortsetzen und weiterentwickeln. 59 Prozent der Befragten sehen in den Bilateralen vor allem Vorteile für die Schweiz, weitere 23 Prozent sehen sowohl Vor- als auch Nachteile. Nur für 12 Prozent überwiegen die Nachteile.

Seit Beginn der Umfragereihe war die grundsätzliche Zustimmung zum bilateralen Weg noch nie höher. Markant zugenommen hat sie seit Beginn des Kriegs in der Ukraine speziell in der Deutschschweiz. Gute Beziehungen zur EU hält man denn auch nicht nur relevant für Wirtschaft und Forschung, sondern insbesondere, um Frieden und Sicherheit in Europa zu stärken.

«Personenfreizügigkeit gänzlich unumstritten»

Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre, für das auch die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt verantwortlich ist, wurde zuletzt von verschiedenen Seiten kleingeredet. Der Vorwurf: Die breite Bevölkerung spüre nichts davon. Die Umfrage zeigt ein ganz anderes Bild: 78 Prozent sind der Meinung, dass die Bilateralen zu mehr Wohlstand verhelfen – volle 15 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Zwar sieht man die hohen Miet- und Immobilienpreise durchaus als Problem, das mit der Zuwanderung aus Europa zusammenhängt. Trotzdem wird deren Notwendigkeit nicht in Frage gestellt. Vielmehr schreibt gfs.bern in der Analyse: «Zurzeit ist die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU gänzlich unumstritten.»

Akzeptanz für Rolle des EuGH

Was die Weiterentwicklung der Beziehungen betrifft, zeigen sich die Befragten in fast allen umstrittenen Bereichen kompromissbereit. Sowohl eine dynamische Rechtsübernahme im Rahmen der geltenden Verträge als auch ein Entgegenkommen beim Lohnschutz würde heute eine Mehrheit gutheissen. Nur die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie findet keine Zustimmung. Den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Entscheidungsinstanz bei Rechtsstreitigkeiten mit der EU würden hingegen 55 Prozent der Stimmberechtigten akzeptieren.

Die Umfrage unterstreicht zum wiederholten Mal, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung ein stabiles vertragliches Fundament für die Beziehungen zur EU wünscht, damit die Chancen einer besseren Zusammenarbeit endlich genutzt werden können. Dass ein aktualisiertes Freihandelsabkommen dafür ausreichen würde, glaubt sie hingegen nicht: Die Zustimmung zu dieser Variante ist zuletzt regelrecht eingebrochen und liegt nur noch bei 45 Prozent.

Baloon
Sollen wir dich auf dem laufenden halten?